von Tatjana Petzer
Synergetische Prinzipien sind im Spiel, wenn selbstorganisierende Systeme neue Qualitäten erzeugen. Für Synergien gilt der aristotelische Spruch „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“; darauf beriefen sich gleichermaßen Theologen, Architekten und Physiker. Der Begriff Synergie (griech. Zusammenwirken, Mitwirkung) erlebte in verschiedenen wissensgeschichtlichen Konstellationen Konjunkturen. In den Übertragungen zwischen den Disziplinen verdichteten sich schließlich seine kulturellen, fachwissenschaftlichen und ästhetischen Semantiken zu einer Figur des Wissens. Die Geschichte und Aktualität der Konzepte der synérgeia/des Synergismus/der Synergetik sind Gegenstand dieser Einführung.
Im 20. Jahrhundert wird das Wissen um Synergien und Synergieeffekte programmatisch für struktur- und systemtheoretische Modellbildungen. Auffällig dabei ist, dass über die Disziplinen hinweg bei deren Beschreibung auf jenes verkürzte Aristoteles-Zitat am Anfang dieses Textes Bezug genommen wird. In Aristotelesʼ Metaphysik heißt es über die Substanz und das „begriffliche Wesen“: „Das was aus Bestandteilen so zusammengesetzt ist, dass es ein einheitliches Ganzes bildet, nicht nach Art eines Haufens, sondern wie eine Silbe, das ist offenbar mehr als bloß die Summe seiner Bestandteile“.1) Betont wird hier die neue strukturelle Beschaffenheit einer synergetischen Verbindung, die aus deren Einzelkomponenten nicht hinreichend erklärt werden kann. Disziplinen, in denen die Synergie als Denkfigur direkt oder indirekt artikuliert wird, gründen zwar nicht auf die aristotelische Substanzlehre. Doch das Interesse für Verbindungen, die aus der Interaktion oder Kooperation von mehreren Komponenten entstanden sind, wirksame Größen also, die mathematisch darstellbar sind, ist nachhaltig.
Eine weitere Linie des Begriffs Synergie nimmt ihren Anfang in der Bibel und in dem theologischen Synergie-Paradigma, demzufolge die Getauften „Gottes Mitarbeiter“ (I Kor 3,9) seien. Die spätmittelalterliche Theologie der Ostkirche, entwickelte aus der Rezeption des Neuplatonismus und der Kirchenväter, insbesondere in Anlehnung an Maximus dem Bekenner (um 580-662) und Grigorios Palamas (1296/1297–1359), der auch die hesychastische Praxis theologisch rechtfertigte, den Synergismus als Lehre von der aktiven Mitwirkung (sodejstvie) des Menschen am Heilsprozess. Das Zusammenwirken göttlicher und menschlicher Energien ist der Kerngedanke der théōsis, der Vergöttlichung des Menschen im Erlösungsprozess. Die Inkarnation des Logos, in der die Umgestaltung des gesamten Sozio-Kosmos, also auch des menschlichen Seins bereits enthalten ist, leitet den synergetischen Prozess, d. h. den Weg der spirituellen Vervollkommnung, die Erneuerung und Transformation der Menschen ein.
Anders die Theologie der Westkirche, die synergistische Lehren ablehnte. Sie vertrat die Auffassung, dass der Mensch durch eigenes Bemühen neben der Gnade Gottes selbst an seinem Heil mitwirke. Dazu zählen der Pelagianismus (5. Jh.), Erasmus von Rotterdams Auffassung vom Zusammenwirken der Gnade Gottes und des freien Willen des Menschen bei der Heilserlangung, gegen den Luther polemisierte, und die Theologengruppe um Philipp Melanchthon (1497-1560), die dem menschlichen Willen die Fähigkeit zuerkannte, sich der göttlichen Gnade zuzuwenden, und damit den so genannten Synergismusstreit auslöste.2) In diese Zeit fallen Versuche, die Rolle der weltlichen Heilpraxis als Kooperation zwischen ärztlicher Kunst und Heiligem Geist, körperlicher Stärkung und der Reinigung der Seele zu erklären. Sie bahnten den Weg für eine säkulare Arzneimittellehre und den Vitalismus des Chemikers und Arztes Georg Ernst Stahl (1659-1734). Dieser hatte in seiner Schrift De synergeia naturae in medendo (1695) eine praxisorientierte Theorie der reziproken Reaktionen von Körper und Seele unterbreitet, womit er auch einen Grundstein für die Psychosomatik legte, und den Arzt – in der Umdeutung des neutestamentarischen synergós – zum „Mitarbeiter der Natur“ erhob. Die Bedeutung von anorganischen und organischen Synergien war auch der neuzeitlichen Pharmazie und Medizin bekannt. Zur Erzielung größerer Heilwirkungen wurden Kombinationen von Substanzen eingesetzt, deren wechselseitigen Verstärkungseffekte bekannt waren.
Vor dem Hintergrund eines allgemeinen Krisenbewusstseins knüpfte die russische Religionsphilosophie um 1900 an das orthodoxe Synergie-Verständnis an. Vladimir Solov’ev (1853-1900) beeinflusste mit seiner Wiederbelebung und Weiterentwicklung des antiken Theurgie-Gedankens die symbolistische Weltanschauung seiner Zeit. Er entwarf ein Handlungs- und Organisationsmodell zur Gottwerdung, das sich als aktives Umgestalten (pretvorenie) des Menschen in der Synthese von Religion, Technik und Kunst realisieren sollte. Zudem löste eine aktuelle theologische Debatte, die 1913 über die Gleichsetzung von Gottes Namen und Gottes Energie in der hesychastischen Tradition der Onomatodoxie (russ. imjaslavie, Namensverehrung) ausbrach, ein philoso¬phisches Interesse an Sprachwirkungskonzepten aus. In diesem Zusammenhang entwarf der russische Mathematiker, Philosoph und orthodoxe Priester Pavel Florenskij (1882-1937), ein Verfechter der Synthese der Wissensdisziplinen, eine Kulturtheorie des Zusammenwirkens. Seine Schriften sind ein prominentes Beispiel für die Engführung von Energie- und Synergie-Konzepten aus Philosophie, Religion und Naturwissenschaft: der sprachphilosophischen enérgeia in der Nachfolge des Aristoteles, der orthodoxen Energielehre und des Hesychasmus, der die göttliche Energie mit dem Namen Gottes gleichsetzt, von Energiekonzepten der modernen Physik und Wilhelm Ostwalds (1853-1932) Energetik, die retrospektiv auch als synergetischer Ansatz zu werten ist.3)
Der erste Eintrag zu Synergie in die moderne Wissenschaft ist um 1900 zu verzeichnen. Der US-amerikanische Paläontologe und Gründungsvater der amerikanischen Soziologie Lester Frank Ward (1841-1913), in der Kritik auch „The American Aristotle“ genannt, führte den Begriff der Synergie in die Soziologie als „universal principle, operating in every department of nature and at every stage in evolution, which is conservative, creative, and constructive“4) ein. Dabei stellte er die sozialen Synergien in eine Reihe mit Synergie-Phänomenen in Chemie, Biologie, Physiologie und Physik. Der Begriff der Synergie sei, so Ward, „best adapted to express its twofold character of energy and mutuality, or the systematic and organic working together of the antithetical forces of nature“.5) Synergie (auch: „synthetic work“, „construction“) erkläre demnach alle Organisationprinzipien und Strukturen.6)
Eine ähnliche Prämisse liegt der Allgemeinen Organisationslehre (Tektologie) zugrunde, die der russische Physiologe, Philosoph und Politiker Aleksandr A. Bogdanov 1913-1922 in drei Bänden publizierte und die bald darauf in deutscher Übersetzung zugänglich war. Auch hier heißt es: Ein organisiertes Ganzes ist »mehr als die Summe seiner Teile«. Bei diesem Versuch, die Dynamik kombinierter Arbeitshandlungen (»Energien«) systemisch zu erfassen, diente das Aristoteles-Zitat zur Beschreibung von synergetischem Verhalten bei zunehmender Organisation. Bogdanovs Tektologie, eine monistische Wissenschaft zur Steuerung eines dynamischen Weltsystems, könnte als Vorläufer von Systemtheorie und Kybernetik betrachtet werden. Ziel war die Erbauung der proletarischen Zukunftsgesellschaft, so wie sie Bogdanov bereits in seiner Science-Fiction-Utopie Krasnaja zvezda (Der rote Stern bzw., in einer späteren Übersetzung, Der rote Planet) von 1908 verwirklicht hat, und zwar auf dem Mars. Ein führender Marsingenieur, der Erde 2-300 Jahre voraus, erläutert darin einem russischen Mathematiker und Revolutionär das Organisationsprinzip – naiv und offenbar noch ohne das Bewusstsein von einer damit verbundenen Totalität: „Sie wissen, daß überall, wo Leben besteht, das Ganze größer ist als seine einzelnen Teile, und so ist denn auch der lebendige menschliche Körper größer als dessen einzelne Glieder.“7)
Zur Beschreibung von Wechselwirkungen einzelner Bestandteile in biologischen und ökologischen Systemen waren die Ideen des russischen Biogeochemikers Vladimir Vernadskij (1863-1945) zur Bio- und Noosphäre wegweisend. Seine Überlegungen galten der vollständigen Besiedlung und Transformation der Biosphäre8) durch den Menschen, ein Prozess, der infolge der modernen Transport- und Kommunikationstechniken wie auch der Schaffung künstlicher Landschaften – der Agro- und der Technosphäre – beschleunigt wurde. Damit einher ging, was Vernadskij eine neue „planetare“ Erscheinung nannte: das beschleunigte Wachstum wissenschaftlicher Arbeit. Dieses bewirke die Entstehung einer neuen, die Biosphäre durchdringenden Erdhülle, und zwar der Noosphäre oder mit anderen Worten: der Sphäre des Denkens, das eine neue geologische Kraft darstellte.9) Der Begriff der Noosphäre kristallisierte sich bereits in den 1920er Jahre heraus, als Vernadskij während eines Parisaufenthalts mit zwei unkonventionellen katholischen Denkern, dem Mathematiker und Bergson-Schüler Éduard Le Roy (1870-1954) sowie dem Jesuitenpater und Gelehrten Pierre Teilhard de Chardin (1881-1955), einen intensiven Dialog über die evolutionäre Entwicklung einer neuen, die Biosphäre transzendierenden Sphäre führte. Vernadskij legte sein Konzept erst während des Zweiten Weltkriegs in der Zeitschrift Erfolge der zeitgenössischen Biologie dar.10) Sein Plädoyer, die Biosphäre im Interesse einer frei denkenden Menschheit zu einem einheitlichen Ganzen umzugestalten, ist gleichzeitig eine Kritik an seiner Zeit, die das menschliche Potential für desintegrierende und selbstvernichtende Kräfte einsetzte.11) So gesehen, war für Vernadskij der von Vernunft geleitete, schöpferisch tätige Wissenschaftler synergós.
In den 1940er Jahren beginnt eine weitere Konjunktur von Synergie-Konzepten in den USA. Der von Lester Ward für die Beschreibung von gesellschaftlichen Formen des Zusammenwirkens vorgeschlagene Begriff der Synergie, wurde in den USA von Ruth Benedict, der Begründerin einer kulturvergleichenden Anthropologie, aufgegriffen, die vornehmlich zu soziokulturellen Strukturen und Mustern forschte.12) In den 1940-50er Jahren begann dann der Designer und Denker Richard Buckminster Fuller mit seinen systematischen Untersuchungen zu synergetisch-energetischen Geometrien, die er in Natur und Gesellschaft vorfand. Diese „komprehensiven mathematischen Ordnungsmuster“13) legte er seiner nachhaltigen geodätischen Konstruktionsweise zugrunde. Seine Beobachtungen und Entdeckungen offenbarte er mit großer Intensität in Vorträgen. Erst in den 1970er Jahren erschien die Essenz dieses Wissensmodells in Buchform unter dem Titel Synergetics,14) die, in Fullers Kurzdefinition, eine Kombination von Topologie und Vektorgeometrie darstellte.15) Fuller führte die Synergetik als Designwissenschaft in Architektur und Ingenieurwesen ein. Dabei definierte er Synergie als „Verhalten ganzer Systeme […], das nicht aus den getrennt beobachteten Verhaltensweisen irgendwelcher separater Systemteile oder irgendwelcher Untergruppen von Systemteilen bestimmt werden kann.“16) In Synergie, so Fuller, liege nicht nur das „Wesen der Chemie“,17) vielmehr sei Synergie das Wesentliche an sich,18) die Ganzheit der Erfahrung und des Wissens überhaupt. Kurzum: Für Fuller war „Das Universum […]. Das Leben […] synergetisch“.19) Seine Synergetik setzte an den Schnittstellen von Systemtheorie, Philosophie, Naturwissenschaft, Technik und Kunst an. Darauf gründete auch seine Vision eines synergetischen Weltmanagements. Die Metapher vom „Raumschiff Erde“ prägte er, um das Gebot kybernetischen Handelns in Hinblick auf das ökonomische, ökologische und gesellschaftliche Gesamtsystem zu verdeutlichen. Denn es liegt auf der Hand, was passiert, wenn Hunderte Staatssteuermänner das gemeinsame Raumschiff in unterschiedlichste Richtungen lenken. Um das Überleben zu sichern, müsste auf diesem Raumschiff jegliche einengende Spezialisierung, unkooperatives Verhalten und räumlicher Separatismus überwunden und statt dessen mit Denkinstrumenten der Synergetik operiert werden. Diese allein sollte die Menschheit dazu befähigen vorauszuschauen, globale sozioökonomische Zusammenhänge zu verstehen und die Weltgesellschaft der Zukunft mitzugestalten.
Etwa zeitgleich mit Fullers Publikation erschien, ebenfalls unter dem Titel Synergetics, die universalistische Lehre vom Zusammenwirken des deutschen Physikers Hermann Haken (*1927).20) Hakens Ausgangspunkt war die Interpretation des Laserprinzips als Selbstorganisation von Nichtgleichgewichtssystemen. Ausgehend von der Laserphysik erkannte er in der Selbstorganisation, dem Übergang der Unordnung in Ordnung durch sprunghafte Komplexitätsreduktion – oder anders ausgedrückt: in der spontanen Bildung synergetischer Strukturen – ein allgemeines Prinzip nicht nur physikalischer, sondern auch chemischer, biologischer, ökonomischer und soziologischer Systeme. Gemeinsamkeiten mit Fullers Synergetik lehnte Haken kategorisch ab.21) Hakens Konzept bleibt in der Tat im Bereich der Wissenschaft und hat einen anderen Geltungsanspruch als Fullers visionäre Durchkreuzung der Disziplinen als Handlungsmodell für eine synergetisch denkende und die Erde gestaltende Menschheit.
In Deutschland findet die Methode von Hakens Synergetik – die nichtlineare Zeitreihenanalyse und Untersuchung makroskopischer Musterbildung in dynamischen Systemen auf der Grundlage ermittelter räumlicher, zeitlicher und funktioneller Parameter –ihre Anwendung bspw. in der Meteorologie (Erforschung der Wolkenbildung), der Chemie (Musterbildung bei chemischen Reaktionen), der Biologie (Evolutionsforschung) und der Soziologie (Analyse des städtischen Wachstums). Die Synergetik inspirierte andere Disziplinen zur Entwicklung analoger analytischer Instrumentarien für strukturbildende Prozesse – etwa die Psychosynergetik22) und die Synergetische Linguistik.23) Haken selbst initiierte interdisziplinäre Modellbildungen, indem er sich dem Studium von neuronalen, psychologischen und kinetischen Prozessen zuwandte – einem weitgespannten Untersuchungsterrain u. a. zu Wahrnehmungs- und Gedächtnisprozessen, zu psychischen Grundfunktionen wie Motorik und Psychoneuroimmunologie, zu kollektiven Interaktionsformen und Organisationsentwicklungen.24)
Die Konjunkturen, die Synergiekonzepte im 20. Jahrhundert erlebten, gingen mit Blütezeiten eines Paralleldiskurses um den Begriff der Emergenz einher. Letzterer war bereits Anfang des 20. Jahrhunderts in Großbritannien und in den USA ein Schlüsselbegriff in evolutionären Kosmologien, als in universalen, systemischen Theorien bereits von Synergie die Rede war. Auch als diese Konzepte von Fuller und Haken um 1970 zu Synergetiken ausformuliert wurden, hatte der Begriff der Emergenz eine Renaissance. Im Unterschied zu den Emergenztheoretikern sind die Synergetiker bemüht, nicht nur ein begriffliches, sondern ein exaktes methodisches Instrumentarium für die Beschreibung und Berechnung synergetischer Systemeigenschaften auf geometrisch-mathematischer Grundlage zu liefern. Die Erklärungsansätze, die von Synergetikern zum Zusammenwirken, zur Selbstorganisation und zur Musterbildung unterbreitet werden, zeigen darin eine enge systemtheoretische Verwandtschaft zur Chaosforschung und zum Konzept der Autopoiesis.25) Einen Sonderweg stellt die auf Grundlage der Patristik begründete „synergetische Anthropologie“ (sinergijnaja antropologija) des Physikers und Religionsphilosophen Sergej Choružij (*1941) dar.26) Die Rückkehr des synergós in Religion und Weltanschauung zeigt sich in Russland nicht zuletzt im interdisziplinär verankerten Kunstdiskurs.
Hakens Synergetik inspirierte auch den katholischen Theologen Alexandre Ganoczy (*1928), der in seinem Buch Der dreieinige Schöpfer: Trinitätstheologie und Synergie (2001) ein Synergie-Modell entwickelte, das stufenweise Synergie-Konzepte verschiedener Provenienz zusammenbringt - analog zu Haken, der seine Erkenntnisse aus der Physik mit der Neuro- und Psychosynergetik auf die anthropologische und schließlich auf die sowziale Wirklichkeitsebene übertrug. Synergie ist für Ganoczy also ein „Analogbegriff“, den er einsetzt, um über das Wesen des dreifaltigen Gottes auf der Seins-, Verhaltens- und Handlungsebene zu reflektieren. Einerseits angeregt von den östlichen Kirchenvätern und Theologen wie Nikolaus von Kues, auf die, so Ganoczy, eine ganz auf Relationen und Korrelationen bedachte Ontologie und Handlungstheorie zurückzuführen sei, und andererseits von der Strukturontologie, Strukturanthropologie und Philosophie der Konkreativität seines Würzburger Kollegen Heinrich Rombach, prägte Ganoczy mit „Synontie“ einen weiteren Syn-Begriff zur Beschreibung der ontologischen Strukturiertheit der Welt, die mit der ‚dynamischen‘ trinitarischen Einheit (Synergie) korreliert.
Das Begriffsfeld Synergie, so eine vorläufige Einschätzung, lässt sich in Modelle (Selbstorganisation, Musterbildung, Emergenz, Bifurkation, Resonanz, Wechselwirkung, Phasenübergang, In/Stabilität, Komplexitätsreduktion), Konzepte (Synergismus, Charisma, Gottmenschentum, All-Einheit, Perichorese), Praktiken (Symbiose, Kooperation, Partizipation) und (Meta)theorien (Holismus, Monismus, Synergetik) auffächern. Die zunehmende Intensivierung von Synergie-Diskursen im Laufe des 20. Jahrhundert steht auch im engen Zusammenhang mit Veränderungen in der wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Praxis. Oft beruft man sich explizit auf Querverbindungen zwischen verschiedenen Wissensfeldern, doch können diese verschiedenen Wirklichkeitsbereiche überhaupt zueinander in Beziehung gesetzt werden? In dem Gemengelage stellt sich die Frage nach gemeinsamen Problemfeldern und Schnittmengen: Was haben das Zusammenwirken menschlicher und göttlicher Energien, energetisch-synergetische Geometrien geodätischer Kuppeln und das synergetisch-emergente Verhalten von Laseratomen gemeinsam? Bilden diese Beispiele exemplarische Spielarten der Synergie?27)
Gibt es gemeinsame Grundlagen und Faktoren der Interaktion und Integration, Kooperation und Ko-Evolution, auf denen Synergie-Konzepte in den verschiedenen Disziplinen gründen? Verbirgt sich hinter Denkfiguren der Synergie und der Übersummativität in der Nachfolge des Aristoteles, hinter den Figuren der Summe, des Ganzen, des unteilbaren Systems, die Gefahr der Totalisierung? Die Synergetiken haben nicht nur neue Konzepte des qualitativ Neuen hervorgebracht. Sie haben zur Durchdringung von Design, Technik und Naturwissenschaften mit der Philosophie beigetragen. Wie derartige quasi-weltanschauliche Modellierungen in die Generierung und Strukturierung von Wissen eingreifen und welches Innovationspotential sie für die heutige Wissensgesellschaft haben, sind Fragen, denen das Forum SynergieWissen nachgeht.